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Alles muss raus!?

04.03.2016 Erstellt von Anja Glover

Es fühlt sich gut an Kleider zu haben, von denen man auch wieder genau weiss, dass man sie hat. Und der Schrank wird plötzlich gross und übersichtlich - weil er gross genug ist und wir alle zu viele Kleider haben.

Ein so scheinbar kleiner Sack lag seit ein paar Tagen am Boden, rundherum türmten sich scheue Ansammlungen von Dingen, die ich glaubte, irgendwann einmal bestimmt unbedingt zu gebrauchen. Der kleine Sack war mein Reiserucksack und die Stapel waren vorwiegend Kleider. Wer reist, der kann grundsätzlich seinen Schrank nicht mitnehmen. Die perfekte Ordnung überwältigend grosser Auswahl hat im Rucksack nun mal keinen Platz und wird im echten Dschungel auch selten benötigt. Trotzdem stelle ich mich beim Packen immer sehr schwer an. Warum glaube ich eigentlich immer, alles unbedingt dabei haben zu müssen?

Ziemlich einfach: Weil ich es habe. Weil ich dieses rote Sommerkleid nun mal hier monatelang nicht tragen kann und es mir doch extra gekauft habe. Und weil es ja sein könnte, dass ich wochenlang nicht waschen kann und ohnehin möchte ich auch beim Trampen ein bisschen gut aussehen. Dafür habe ich ja auch die perfekte Tramperausrüstung, bei welcher sogar mein Rucksack einen stylischen Regenschutz besitzt. 

Nach wochenlangem Packen sind es dann meistens die letzten fünf Minuten vor Abreise, bei der wieder Sämtliches rausgeschmissen wird und der Koffer mit dem zugequetscht und verschlossen wird, was gerade reinpasst. Und dann geht’s los: Wochenlanges Glücklichsein mit einem riesigen Alltags-Luxusproblem weniger: Die Kleider. Die paar wenigen, die man mit dabei hat, reichen völlig aus. Und weil man nur ein paar Kleidungsstücke hat, muss man sich auch nie den Kopf zerbrechen, was man nun tragen könnte.

Nach mehreren Wochen bin ich dann zurückgekehrt, nahm all meinen Mut zusammen, öffnete meinen Schrank, der danach schrie etwas entlastet zu werden und sortierte aus. Einiges fiel mir nicht leicht, aber ich dachte mir, wenn nicht jetzt, dann nie. Warum sehe ich nicht ein, dass ich nie in dieses kleine Schwarze passen werde? Anstatt es mühsam vom einen in den anderen Ecken meines Schranks zu befördern und beim Anblick jedes Mal einen Moment der totalen Selbstenttäuschung zu erleben, kann ich es auch einfach jemand anderem geben, der glaubt es eines Tages tragen zu können.

Das Vorgehen:

1.       Gefällt es mir?  -> Nein? -> Weg damit.

2.       Wann habe ich es das letzte Mal getragen? -> Vor einem Jahr? -> Weg damit (ausser man kann es für besondere Anlässe wie Hochzeiten noch tragen)

3.       Ist es zu gross oder zu klein -> Ja? -> Weg damit

4.       Brauche ich es, oder habe ich davon ohnehin zu viele? -> Weg damit

5.       Gehört es mir? -> Nein? Bitte der Schwester zurückgeben

6.       Ist es kaputt? Ja? Werde ich es reparieren? Nein? -> Weg damit  

Marie Kondo, die Ordnungskönigin schlechthin, fragt sich sogar bei jedem Kleidungsstück: Macht es mich glücklich? Wenn nicht, dann raus damit.  

Es fühlt sich gut an Kleider zu haben, von denen man auch wieder genau weiss, dass man sie hat. Und der Schrank wird plötzlich gross und übersichtlich. Zuvor hatte ich oft gedacht, dass ich mir dann vielleicht doch mal einen grösseren Schrank kaufen müsste, am liebsten hätte ich sowieso ein Ankleidezimmer. Das brauche ich aber nun wirklich nicht, im Gegenteil, der Mensch ist mit zu vielen Kleidern morgendlich überfordert. Der normal-grosse Schrank ist ein perfektes Mass dafür, um mir zu sagen, wann ich wieder dabei bin, es zu übertreiben.  

Nun stolpere ich jeden Morgen über den Stapel von Kleider, die darauf warten, am Flohmarkt verkauft zu werden. Das geht jetzt ein paar Wochen so und ist natürlich viel besser.  

Liebe Leser, Sie haben viel zu viele Kleider, tun Sie sich und dem Schrank einen Gefallen: Misten Sie grosszügig aus.

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